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Unser Stille-Stunde-Konzept
Stille Stunde in Stuttgarter CAP-Markt
Aus den Lautsprechern ertönt Musik, die Kasse piepst, grelle Werbung flackert über die Bildschirme, und Bekannte unterhalten sich lautstark über ihre Einkaufswagen hinweg: der normale Alltag in einem Supermarkt. Für Menschen mit sensorischer Empfindlichkeit kann ein solcher Einkauf schnell zum Horrortrip werden.
Darum führen einige Geschäfte die „Stille Stunde“ ein, ein Konzept, bei dem für eine bestimmte Dauer die Reize im Geschäft auf ein Minimum reduziert werden. Auch in Stuttgart nehmen Geschäfte teil.
Idee der „Quiet Hour“ stammt aus Neuseeland
Auch wenn die „Stille Stunde“ hierzulande noch nicht sehr bekannt ist, ist sie in Ländern wie Neuseeland oder Großbritannien schon längst verbreitet. Die Idee der „Quiet Hour“ stammt von einer neuseeländischen Supermarktangestellten, die Mutter eines autistischen Kindes ist. In einer der größten Supermarktketten des Landes, Countdown, wird dieses Konzept bereits seit fünf Jahren praktiziert – und kommt gut an.
Denn die „Stille Stunde“ zielt darauf ab, Menschen mit sensorischen Beeinträchtigungen zu gewissen Uhrzeiten einen ruhigen und stressfreien Einkauf zu ermöglichen. Durch die Reduzierung von Licht- und Geräuschpegeln soll die „Stille Stunde“ eine angenehmere Umgebung für alle schaffen, die sonst mit auditiven und visuellen Reizen zu kämpfen haben.
Das Gegenteil des Supermarktkonzepts
Das Licht zu dimmen und die Werbetafeln auszustecken, ist eigentlich genau das Gegenteil von dem, was die Gesamtstrategie eines Marktes ausmacht. Hinter einem Supermarkteinkauf steckt nämlich ein komplexes Konzept, um Kaufanreize zu fördern. Ein eigener Radiosender, der mit der Ankündigung des sonnigen Wetters die Kunden zum Grillgut locken möchte. Obst und Gemüse, das so ausgeleuchtet wird, dass es besonders knackig und frisch aussieht, und Werbung, die mit dem Slogan „Nur für kurze Zeit“ zum Griff in die Süßigkeitenregale lockt. Alles Elemente, die in Supermärkten eine große Rolle spielen, auch für die großen Discounter in unserem Land.
Auf die Anfrage, ob sich die Supermarktriesen Lidl, Aldi Süd und Kaufland eine „Stille Stunde“ in ihren Filialen vorstellen könnten, decken sich die Antworten: Die Einführung besonderer Uhrzeiten sei nicht in Planung. Im Gegensatz zu den großen Discounterketten gibt es aber bereits einige, von Kaufleuten geführte Edeka- und Rewe-Märkte, die das Konzept anbieten.
Cap-Markt führt „Stille Stunde“ in allen Filialen ein
Die ersten Geschäfte in Stuttgart haben sich entschieden, in ihrem Laden die „Stille Stunde“ einzuführen. Dazu gehört der Cap-Markt. Die Kette setzt das Konzept bereits in all ihren Filialen um. Der Markt, mit Hauptsitz in Stuttgart, trägt seit der Unternehmensgründung den Gedanken der Inklusion in sich und beschäftigt Menschen mit und ohne Behinderung.
Zur „Stillen Stunde“ wird in dem Cap-Markt das Licht gedimmt, die Warenversorgung eingestellt, die Töne beim Warenscanner werden heruntergestellt und es wird nicht laut telefoniert, wie Thomas Heckmann, Geschäftsführer der GFA süd, dem Inklusionsunternehmen hinter den Cap-Märkten, mitteilt. Er sagt: „Viele Menschen sind dankbar, in einer gewissen Ruhe einkaufen zu können.“ Dazu gehören zum Beispiel Menschen mit Hörgeräten oder autistische Menschen. Das Konzept komme zudem auch bei den Mitarbeitenden gut an.
Auch hier wird’s ruhiger
In Stuttgart nehmen noch zwei weitere Geschäfte teil, etwa der Konzeptstore Superjuju in der City an der Eberhardstraße. Dessen Geschäftsführerin Julia Rein ist selbst Autistin und möchte dazu beitragen, dass sich alle Menschen in dem Laden wohlfühlen. Auch das Brillenatelier Katrin Wagner, ebenfalls in der City, an der Kronenstraße macht bei der Aktion mit und bietet auf Wunsch ruhige Beratungszeiten an.
Deutschlandweit setzt sich der Verein Gemeinsam dafür ein, Unternehmen bei der Einführung der „Stillen Stunde“ zu unterstützen. Auf https://www.stille-stunde.com gibt es eine Übersicht, welche Geschäfte in der gesuchten Region teilnehmen.
Die Initiative der ‚Stillen Stunde‘ ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer inklusiveren Umgebung. Sie verbessert nicht nur das Einkaufserlebnis für hochsensible Menschen, sondern schafft auch für alle Kunden eine angenehmere Atmosphäre. Solche Programme können als Vorbild für andere Handelsketten dienen, die ihren Kunden individuellere und aufmerksamere Bedingungen bieten möchten.
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